Stellungnahme zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie im Oberflächenwasserkörper Leine
Initiierung eigendynamischer Entwicklung in den Abschnitten 4 – 7, 9, 12 und 13 – Genehmigungsplanung – (Az. 5070-52-4541/19-1)

Zu 4 Art und Umfang des Vorhabens

Vom Grundsatz her ist das Vorhaben zu begrüßen, jedoch gilt es dringend und vorrangig zu prüfen, noch mehr bauliche Einschränkungen aus dem Bereich des Flusses und seiner Aue zu entfernen bzw. umzuverlegen. Dazu zählen neben Leitungssystemen u.a. auch der asphaltierte Leine-Heide-Radfernweg sowie die Kläranlage in der Unteren Aue. So besteht die Möglichkeit dem Fluss nicht nur mehr Überflutungsraum, sondern auch mehr Entwicklungsraum zurückzugeben.
Vorrang müssen zudem der Schutz, Erhalt und eine naturnahere Entwicklung des Fließgewässers sein. Dazu gehört, dass sich bauliche Eingriffe auf die Beseitigung von Bauten im Sohl- und Uferbereichen sowie von Altlasten und Versiegelungen in der Aue beschränken. Damit lassen sich bei Beseitigungen von Bodenversiegelungen und Umverlegungen von Versorgungsleitungen in der Aue die Schaffung von temporären Feuchtsenken verbinden.
Nach Ansicht des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. lassen die Planungsunterlagen viel zu wenig Einbindung bestehender Altverläufe sowie die Eigendynamik bei der Schaffung von Prall- und Gleithängen erkennen. Dazu ist die Verlegung von Versorgungsleitungen vollkommen korrekt. Nur eine baulich weitgehend freigeräumte Aue lässt eine naturnahe Entwicklung zu. Eine flächendeckende Erfassung von Fauna und Flora liegt leider nicht vor, um die hydrologische, faunistische und floristische Schutzwürdigkeit vollumfänglich darstellen zu können. Dies ist ebenfalls bedeutsam, um einen möglichen Wiederanschluss von Altverläufen prüfen zu können.
Die angedachten Umverlegungen des Flusslaufes stellen einen massiven baulichen Eingriff in die Auen- und Flusslandschaft dar. Bauliche Maßnahmen, welche den obengenannten Rahmen überschreiten sind keinesfalls erforderlich. In den Gewässerlauf eingebrachte Störhölzer und -steine können den Mäandrierungsprozess vorantreiben. Dabei lässt sich durchaus Richtung und Stärke sehr gut bestimmen. Dies hängt natürlich auch sehr stark von Wassermenge und Fließgeschwindigkeit ab. Dazu sind weder wasserbauliche Umverlegungen, Gehölzfällungen oder Uferabflachungen erforderlich. Eine eng damit verbundene wissenschaftliche Begleitung der Entwicklungsprozesse ermöglicht die Schaffung einer besseren Basis für eine breite Umweltbildung. Touristische Aspekte dürfen nicht zur Beeinflussung von Entwicklungsprozessen – z.B. Uferabflachungen – führen. Mit der Mäandrierung einhergehend ist davon auszugehen, dass keine weitere Eintiefung des Fließgewässers erfolgt. Insofern ist ebenfalls die Einrichtung eines „Steinriegels als Initial zur mittelfristigen Sohlenaufschotterung“ durchaus zu begrüßen.
Hinsichtlich der Entwicklung eines gewässerbegleitenden Gehölz-, Wiesen- und Staudensaumen ist auf eine sukzessive Entwicklung zu setzen. So kann ein mäandrierendes Fließgewässers selbst die Standorte bestimmen. Ferner ist davon auszugehen, dass nur so weitgehend standortgerechte Bestände an Flora, aber auch an Fauna entstehen bzw. sich weiterentwickeln sowie sich so eine Arten- und Strukturreichtum erhalten bzw. weiterentwickeln kann. Dies erfordert einen mindestens beidseitig 10 m breiten Gewässerschutzstreifen zu sichern. Darüber hinaus gilt es in dem Planungsraum eine Umwandlung des intensiv genutzten Ackerlandes in extensive Wiesen- und Staudenflächen zu ermöglichen. Eine Entwicklung eines flächendeckenden Auenwaldsystems führt neben der Wiederausweitung von Retentionsflächen zur Brechung von Hochwasserwellen im Umfang und Wucht sowie zur Erhöhung der Arten- und Strukturvielfalt in der Leineaue.
Bestehende oder sich wieder entwickelnde Wiesenflächen sind parzelliert und in unregelmäßigen Abständen einer Mahd zu unterziehen. Dazu erfolgt die Mahd abwechselnd zweimal, einmal oder gar nicht im Jahr. So besteht die Möglichkeit der Entwicklung von vielfältigen arten- und strukturreicher Wiesengesellschaften, da eine Blüte und Aussamung aller Pflanzen möglich ist. Andere Mahdformen befördern zumeist Pflanzen, welche sich über Wurzelaustrieb zudem schnell und stark vegetativ verbreiten können. Zudem befördert und schützen parzellierte und unregelmäßige Mahden Bodenbrüter und Säugetiere wie den Feldhasen und das Reh, welche diese Gebiete nach der Setzzeit für ihre Jungen als Deckung nutzen. Zudem bestehen mit längeren Blühzeiten bessere Nahrungsangebote für Insekten und Spinnen.

Andreas Liste
Vorsitzender

Halle (Saale), den 09.06.2020

Strukturmaßnahmen_Leine_TLUBN_Genehmigungsplanung
G218 Erläuterungsbericht_Planänderung 191118