Weiterhin mit sehr großem Interesse und zugleich mit ebenso großer Sorge nimmt der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) die fortgesetzte, einseitige und sehr emotional gehaltene Medienmeldungen auf, dass es im sachsen-anhaltinischen Landkreis Wittenberg eine „Biber-Schwemme“ und auch noch „Problembiber“ gibt. Immer wieder muss dafür der Bau von Dämmen durch Biber in Fließgewässern herhalten.

Offenbar beschäftigt man sich nicht gründlich genug mit dem Thema Biber, dessen Schutz und der Gründe der dringend notwendigen Beibehaltung des Schutzes beschäftigt.

Bereits seit dem frühesten Mittelalter verfolgte der Mensch den Biber. Zum einen diente das Fleisch, des irrtümlicherweise zum Fisch erklärten Säugetiers, sowie das Fell als Grund der massiven Bejagung. Das führte dazu, dass der Biber bereits im 12. Jahrhundert in England und im 16. Jahrhundert in Italien vollständig sowie zum Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland nahezu ausgerottet war. Nur eine Restpopulation Elbebiber hatte zum Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland überlebt. Zurzeit leben in der Bundesrepublik Deutschland etwa 6.000 Tiere, welche sich auf Grund massiver Schutzmaßnahmen selbstständig wieder ausbreiten konnten bzw. durch Umsiedlungen einst verlorengegangene Räume erneut bevölkern.

Die Lebensweise des Bibers, wozu der markante Biberdamm für seine Biberburgen gehört, hat eine sehr wichtige ökologische und hydrologische Bedeutung in den Fluss- und Bachlandschaften mit ihren Auen. Mit dem Anstauen von Wasser entstehen neue Landschafts- und Naturräume, verbunden mit sehr günstigen Nahrungs- und Lebensbedingungen für Säugetiere, Wasservögel, Amphibien, Fischen und Insekten sowie wassergebundenen Pflanzen. Darüber hinaus trägt der Biber durch seine Fällungen von Bäumen zur Verjüngung von Auenwäldern sowie den Transport und Verbau von Weidenästen und –zweigen zur Vermehrung der Weide bei. Somit erfahren Fluss- und Bachlandschaften mit ihren Auen eine umfassende Ausweitung ihrer ohnehin schon hohen Arten- und Strukturvielfalt.
Zudem sorgen derartige Anstauungen für ein geregeltes Grund- und Schichtwassersystem, wovon auch angrenzende Flächen profitieren. Somit zählen durchaus Land- und Forstwirtschaft auch zu den Profiteuren des Bibers.

Nur nehmen die Bedrohungen des Bibers durch die zunehmende Zerschneidung und Versiegelung der Landschaft -u.a. durch Verkehrs- und Versorgungstrassen- sowie die Zerstörung von Feuchtgebieten, Gewässerausbau und intensive Gewässerunterhaltung stark zu. Zum Beispiel sind im Land Brandenburg etwa die Hälfte der aufgefundenen Biber laut Auskunft des hiesigen Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz, dem Straßenverkehr zum Opfer gefallen.

Diese besorgniserregenden Entwicklungen bedürfen nach Auffassung des AHA nicht nur eines umfassenden Einhalts, sondern einer umfassenden, unverzüglichen Gegensteuerung. Dazu gehört der Stopp weiterer Landschaftszerschneidungen aller Art, Rückbau nicht benötigter Versiegelungen auf dem Lande und in den Gewässern, Zulassung von eigenständigen Renaturierungen in Fließ- und Standgewässern, Beseitigung von baulichen Hindernissen und damit Wiederherstellung der Durchlässigkeit der Fließgewässer, Schaffung von mindestens 10 m breiten Gewässerschonstreifen beidseitig der Gewässeroberkante, Rückkehr zu einer größeren Arten- und Sortenvielfalt in der Landwirtschaft mit einhergehender wissenschaftlich fundierter Fruchtfolge, Anbaukultur und Wiedererhöhung eines miteinander verknüpftem Flurholzsystems bestehend aus Achsen und Inseln im Grün- und Biotopverbund, Schaffung ausreichender Möglichkeiten zur Renaturierung einer brutal ausgekohlten Landschaft, Beförderung und Umsetzung der wissenschaftlicher fundierter Maßnahmen im Kampf gegen die fortschreitende Verockerung der Fließgewässer in Folge jahrhundertlanger brachialer Bergbaumaßnahmen sowie einer eng damit verknüpften vielfältigen, wissenschaftlich fundierten Umweltbildungsarbeit.

Darüber hinaus gilt es auch an der Stelle auf die enge Verknüpfung zum nachhaltigen Umgang mit dem Hochwasser hinzuweisen. So dürfte den politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen die Forderungen zahlreicher Wissenschaftler und Organisationen nicht entgangen sein, dass flächendeckend und länderübergreifend bzw. bundesweit den Flüssen und Bächen verstärkt ihre Auen zurückzugeben sind, um zum einen wieder Hochwasserräume zurückzuerhalten und zum anderen Auenlandschaften wieder mehr Entwicklungsraum zu ermöglichen. Hierzu gehört unabdingbar der Biber als ein grundlegender natürlicher „Landschaftsgestalter“ mit dazu. Nicht der Biber ist das Problem, sondern das mehr oder minder weit vorgerückte Eindringen des Menschen in die Fluss-, Bach- und Auenlandschaften, um sie zu nutzen, zu „regulieren“ und nicht selten umfassend zu verbauen.

Daher darf es aus Sicht des AHA weder in Europa, noch in der Bundesrepublik und ihren Bundesländern, keinen einzigen Abstrich am strengen Schutz des Bibers geben !

Allein in den Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt sowie im Freistaat Sachsen bedarf es entsprechender, länderübergreifend bzw. bundesweit abgestimmter und koordinierter Maßnahmen in Sachen Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes, der Umsetzung eines gemeinsam erstellten Konzeptes zum nachhaltigen Umgang mit Hochwasser sowie einer arten- und strukturreicheren, ökologisch orientierten Land- und Forstwirtschaft . Insbesondere zu nennen sind dabei u.a. die Elbe, Saale, Mulde, Oder, Neiße, Havel, Spree sowie Weiße und Schwarze Elster sowie deren Nebengewässer.
Von daher ergeht seitens des AHA erneut die dringende Aufforderung an die Mitglieder der Landtages und der Landesregierung Sachsen-Anhalts, Sachsens und Brandenburgs den Schutz des Bibers weiterhin zu sichern, unverzüglich mit der flächendeckenden Rückgabe von Auen u.a. Lebensräume für den Biber und Überflutungsräume den Flüssen und Bächen zu beginnen. Ferner gilt es u.a. mit der ungezügelten Zunahme von Bundesautobahnen und Straßen zahlreiche landwirtschaftliche Flächen zu stoppen.

Das Umweltbundesamt und das Statistische Bundesamt in Deutschland weisen eine tagtäglich Neuversiegelung von Boden im Umfang von 69 ha Boden aus. Das entspricht in etwa einer Fläche von ca. 100 Fußballfeldern und im Jahr in etwa einer Fläche von 25.185 ha -69 ha/Tag x 365 Tage/Jahr = 25.185 ha/Jahr. Im Vergleich dazu die Fläche der Stadt Leipzig, welche 29.760 ha beträgt.

Zudem engen diese Trassen zusätzlich den Bewegungsraum der Tiere ein und erhalten ihre öffentliche Resonanz bei Berichten über zunehmende Wildunfälle. Ferner sorgen fortschreitende Verarmung der landschaftlichen Kulturen von einst in der DDR 25 auf nunmehr 7 Anbaukulturen für eine unverantwortliche Einengung der landschaftlichen und ökologischen Vielfalt. Der zunehmend fehlende Anbau von Humusmehrern wie Luzerne, Phacelia und Klee-Gras-Gemischen zerstören zudem durch fehlende Auflockerung der Boden zur Verfestigung dieser bei. Dies hat zur Folge, dass u.a. Wasser nicht mehr in den Boden eindringen kann und somit entweder die Bodenerosion oder Staunässe oder beides verursacht bzw. befördert. Zudem findet mit der Bodenerosion auch ein Abtrag von mit Mineraldüngern ausgebrachter Nährstoffe und mit Pestiziden belasteter Bodenbestandteile statt, welche letztendlich in Gräben, Bächen und Flüssen landen.
Für diese massiven Fehler, welche sich rasant immer mehr zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem entwickeln, trägt allein der Mensch die Verantwortung und nicht der Biber.

Die nunmehrigen Ereignisse um die Köhlerei Eisenhammer und die fortgesetzte diesbezüglichen sehr einseitigen Berichterstattungen von Medien zur Entwicklung der Biberbestände, sind von vielem fachlich unkorrekten Darstellungen geprägt. Es ist durchaus sehr verständlich, dass die Inhaber der Köhlerei Eisenhammer sehr große Sorgen zu Bestand und Entwicklung ihres Betriebes haben. Dies darf keinesfalls unbeachtet und unberücksichtigt bleiben. Jedoch gilt es nicht nur festzuhalten, dass der Biber eine sehr streng geschützte Art ist, sondern das Gesamtgebiet Bestandteil des 958 ha großen Schutzgebiet nach der europäischen Natura 2000-Richtlinie „Buchenwaldgebiet und Hammerbachtal in der Dübener Heide (FFH0133)“ ist. Dieses Gebiet durchquert u.a. der ca. 9 km lange Hammerbach, welcher ein Teil des Namens des Schutzgebietes darstellt. Laut dem Landesamt für Umweltschutz des Landes Sachsen-Anhalt ergibt sich folgende
Gebietsbeschreibung, Zitat:

„Das FFH-Gebiet erstreckt sich im zentralen Buchen-Gebiet der „Dübener Heide“ nördlich von Tornau und Söllichau in ost-westlicher Ausdehnung. Neben großflächigen Buchen- treten auch Eichen-Hainbuchen- und Eichen-Wälder als forstlich bedingte Waldgesellschaften auf Buchen-Waldstandorten auf. Verbreitet sind ebene Hochflächen ausgebildet, die von markanten Talungen zerschnitten werden. Das Hammerbachtal verlässt als kleines Wiesentälchen das Waldgebiet zwischen Eisenhammer und Tornau nach Süden.“, Zitat Ende

Zur Fauna führt das Landesamt für Umweltschutz des Landes Sachsen-Anhalt aus, Zitat:

„Am Hammerbach wurden Biber (Castor fiber) und Fischotter (Lutra lutra) nachgewiesen. Vom Biber existieren zwei Ansiedlungen. Durch Biberdämme entstandene Aufstauungen des Baches führen zum örtlichen Absterben der Bachauenwälder. Auf Grund der vorhandenen Strukturvielfalt hat das Gebiet eine große Bedeutung als Quartier- und Jagdgebiet für waldbewohnende Fledermäuse. Zu nennen wären hier die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) und der Kleinabendsegler (Nyctalus leisleri), von denen regelmäßig besetzte Wochenstubenquartiere bekannt sind. Brandtfledermaus (Myotis brandtii) und Braunes Langohr (Plecotus auritus) reproduzieren sehr wahrscheinlich ebenfalls im Gebiet. Großes Mausohr, Fransen- und Bartfledermaus (Myotis myotis, M. nattereri, M. mystacinus) nutzen das Gebiet als Jagdlebensraum.
Vereinzelte Zufallsbeobachtungen von Kriechtieren deuten auf ein regelmäßiges Vorkommen der Schlingnatter (Coronella austriaca) in den Buchenwäldern mit Heidelbeer-Unterwuchs hin. In feuchten Waldbereichen am Bachufer lebt der Moorfrosch (Rana arvalis), der vermutlich in den Stau- und Mühlteichen am Eisenhammer reproduziert. Während der Hammerbach von Tornau an abwärts sogar von Bachneunauge (Lampetra planeri) und dem Steinbeißer (Cobitis taenia) besiedelt wird, kommen im Verlauf des Baches innerhalb des FFH-Gebietes gar keine Fischarten vor. Vom Hirschkäfer (Lucanus cervus) gibt es Nachweise für die Bereiche Tornau-Eisenhammer, Tornau und Söllichau aus den Jahren 2000 bis 2009. Die Art hat hier wahrscheinlich eine geringe Reproduktionsrate.“, Zitat Ende

Ferner gehört das Gesamtgebiet zum 31 679 ha großen Landschaftsschutzgebiet „Dübener Heide“

Mit der Beseitigung von drei Nahrungsdämmen und der Schlitzung eines Wohndammes sind nach Auffassung des AHA sind bereits sehr massive und bestandsbedrohende starke Eingriffe in das FFH-Gebiet und Bibereinzugsgebiet erfolgt. Andere bzw. weitere Eingriffe sind nicht akzeptabel, da sie auf die endgültige Bestandszerstörung beim Biber hinauslaufen.
Der AHA fordert mit aller Deutlichkeit und Nachdruck nun endlich ordentliche belastbare Fakten zu liefern und daher stattdessen nunmehr die hydrologischen Verhältnisse zu untersuchen, welche womöglich nicht nur auf einer „spezifischen geologischen Situation in der Stauchungszone der Endmoräne“ beruht, sondern ggf. auch mit generellen hydrologischen Veränderungen in Folge des Bergbaus und seiner Einstellung zu tun haben kann.
Eine mögliche Ausbaggerung oder gar Begradigung des Hammerbaches führt zur Zerstörung der vielfältigen Gewässerstruktur durch Verschwinden der Gewässerdynamik und Eintiefung, was wiederum eine Austrocknung der Natur und Landschaft sowie damit verbundener Verarmung an Fauna, Flora und Struktur zur Folge hat.

Der AHA fordert daher eine schnellstmögliche bzw. unverzügliche Versachlichung der Diskussion im Landkreis Wittenberg, direkt vor Ort sowie in bzw. durch die Medien.

Auf Grund der weiteren fortgesetzten Bedrohung sowie bereits erfolgten und ggf. zu erwartenden künftigen Eingriffe in das FFH-Gebiet und Bibereinzugsgebiet sowie der Gefahr der unberechtigten Umsiedlung oder gar Tötung des Biberbestandes sendet der AHA diese Presseerklärung an die EU-Kommission und die zuständige Staatsanwaltschaft weiter. Der AHA appelliert hiermit an die EU-Kommission und die Staatsanwaltschaft bereits wegen der Zerstörung von drei Nahrungsdämmen und der Schlitzung eines Wohndammes ein Verfahren gegen die BRD bzw. die strafrechtliche Relevanz zu prüfen. Es muss endlich Schluss sein mit der von Hysterie und Unsachlichkeit geprägten Atmosphäre !

Im Rahmen seiner ehrenamtlichen und gemeinnützigen Möglichkeiten ist der AHA weiterhin bereit daran mitzuwirken, dass lösungsorientierte wissenschaftlich-fachlich korrekte Herangehensweisen endlich zum Tragen kommen.
Ferner sieht der AHA die Notwendigkeit den vielfältigen Raum der Dübener Heide sowie übergreifend die Auen von Elbe und Mulde mit seiner Arten- und Strukturvielfalt, als Lebens- und Rückzugsraum von Mensch, Tier und Pflanze, als Biotop- und Grünverbundraum sowie im Interesse eines angepassten Tourismus im Zuge der Erholung und Bildung, zu schützen, zu erhalten und sich naturnah weiterentwickeln zu lassen.
Wer Interesse hat, daran im Rahmen einer zu bildenden, ehrenamtlichen länderübergreifenden AHA-Regionalgruppe Dübener Heide mitzuwirken, wende sich bitte an folgende zentrale Kontaktmöglichkeit:

Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – (AHA)

Große Klausstraße 11
06108 Halle (Saale)
E-Mail: aha_halle@yahoo.de
Internet: http://www.aha-halle.de

Weblinks: https://www.mz-web.de/landkreis-wittenberg/koehlerei-eisenhammer-schutz-vorm-biber-gesucht-29823638