Der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) hält es für dringend nötig sich verstärkt für den Schutz, den Erhalt und die Entwicklung von Auenlandschaften einzusetzen. In dem Zusammenhang möchte der AHA seine diesbezüglichen Aktivitäten auch in den Auenlandschaften von Leipzig und Umgebung verstärken.
Auf Grund der weiterhin angedachten Abholzungen im Rahmen einer teilweisen Wiedereinführung der Mittelwaldwirtschaft und einer damit verbundenen weiteren Bedrohung der Auenwälder in Leipzig, hatte der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) zu einer Herbstexkursion am Samstag, den 25.11.2017 in die ca. 277 ha große Burgaue eingeladen. Der strömende Regen ließ die Natur und Landschaft schnell ein spätherbstliches Aussehen mit interessantem Charakter annehmen.
Auf dem Weg zur Burgaue diskutierten die Exkursionsteilnehmer über Möglichkeiten des Umgangs mit Hochwasser. Als erstes stellten sie beim Blick von der Brücke Gustav-Esche-Straße auf Neue Luppe und Möckernschen Winkel fest, dass neben dem unnatürlichen geraden Verlauf des Flusses ein Deichsystem den Auenwald von Hochwasser trennt und zwar ohne erkennbaren Zweck. Im Anschluss daran durchquerte die Gruppe den ca. 17,7 ha großen Auenwald Der Möckernsche Winkel und setzten das rätselten über den Sinn des eingedeichten Auenwaldrestes zwischen Luppe sowie Nahle fort und da ganz besonders, was und wer hier vor dem Hochwasser Schutz bedarf. Im Ergebnis dessen stellten die Exkursionsteilnehmer übereinstimmend fest, dass hier eine vollständige Deichrückverlegung erfolgen muss, um a) den Auenwald wieder an das Hochwasserregime der umgebenden Fließgewässer anzuschließen und b) somit u.a. eine naturnahere Entwicklung des Auenwaldes als Lebens- und Rückzugsraum und naturnaheren Hochwasserraum zu ermöglichen. Im Westteil des Auenwaldes, welcher an das Mündungsgebiet der Nahle in die Neue Luppe angrenzt, nahmen die Exkursionsteilnehmer wiederholt eine Abholzungsfläche in Augenschein, wo nach eigener Zählung im Jahr 2015 25 Bäume der Säge und schwerer Technik zum Opfer fielen. Übereinstimmend erklärten die Exkursionsteilnehmer, dass auch hier die Natur den Auenwald entwickeln sollte und nicht die Säge des Menschen. Nach der Überquerung der Wahmer-Leutzscher-Brücke über die Nahle regt eine schätzungsweise 200 Jahre alte Stieleiche Gedanken an Zeiten an, als noch kein Deich dieses Flusssystem von der Aue trennte.
Einige Schritte weiter, eröffnete sich weiterhin der Blick zur Burgaue, zur Einmündung der Nahle in die Luppe, zu dem eng an beiden Fließgewässern anliegenden Deichsystemen und nicht zuletzt zu dem sehr umstrittenen Nahleauslassbauwerk, welches 2011 und 2013 geöffnet, die angrenzende Aue zu einem Polder umfunktionierte. Die Exkursionsteilnehmer nahmen nunmehr den längst abgeschlossenen und sehr umstrittenen Neubau des Nahleauslassbauwerkes in Augenschein. Jegliche Bedenken und Alternativvorschläge schlugen die Verantwortlichen der Talsperrenverwaltung -als Vertreter des Freistaates Sachsen- und die Stadt Leipzig -als zuständige Genehmigungsbehörde- in den Wind. Dies hat nunmehr folgerichtig zu einer Beschwerde vom Naturschutz und Kunst Leipziger Auwald e.V. (NuKLA) bei der EU-Kommission, wegen der fortgesetzten und unverminderten Verstöße gegen europäisches Recht, geführt.
Auf drei Informationstafeln hat die Talsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen interessante Daten zu „Nahle/Neue Luppe – Nahle-Luppe-Polder“, „Gewässerknoten Leipzig Stadtgebiet“ sowie „Nahle – Nahleauslassbauwerk“ aufgeführt. Insbesondere die Daten zum Nahle-Luppe-Polder bedürfen besonderer Aufmerksamkeit, Zitat:
Die Polderfläche erstreckt sich über die südliche Luppeaue und die Burgaue bis Kleinliebenau auf ca. 12 km Länge. Das flache Auengebiet wird unmittelbar vor der Ortslage Kleinliebenau und der Bundesautobahn A 9 entlang des 3,50 km langen Polderdeiches Kleinliebenau bis zu 3,00 m aufgestaut.“, Zitat Ende
Ferner beinhaltet diese Informationstafel folgende „Technische Daten“, Zitat:
„Flutungsfläche: ca. 10 km²
Stauvolumen: ca. 15 Mio m³“, Zitat Ende
Für die Exkursionsteilnehmer war zudem auffällig, dass man sich neben der korrekten historischen und technischen Darstellungen eine massive Rechtfertigung gegenwärtigen Handelns aus sehr alten Dokumenten und Konzepten holt, aber eigene moderne wissenschaftlich fundierte Konzeptionen fehlen. Ferner ist unverständlich, wieso ein Auenwald wie die Burgaue keinen direkten Anschluss an das Hochwasserregime von Nahle und Luppe erhält. Neben der unumstrittenen Tatsache, dass Auenwälder sich als Teil eines Hochwasserregimes von Flüssen und Bächen definiert, Hochwasser zu seiner arten- und strukturreichen Entwicklung benötigt, als idealer und nachhaltiger Hochwasserspeicher und –reiniger fungiert sowie den Wasserhaushalt reguliert, kann mit ca. 10 km² zurückgewonnener Retentionsfläche eine massive Brechung der Hochwasserwelle erfolgen. Als wasserbauliche Maßnahme muss daher ein vollständiger Rückbau des Deiches entlang von Nahle und Luppe von Burgaue bis mindestens Bundesautobahn 9 erfolgen. Eine Fortsetzung der Deichrückverlegungen bzw. Deichaufgaben entlang der Weißen Elster gilt es im Land Sachsen-Anhalt fortzusetzen. Ferner ist der vollständige Rückbau des Nahleauslassbauwerkes und der angrenzen Nahledeiche erforderlich. Daher bedarf es einer engen Zusammenarbeit der Freistaaten Thüringen und Sachsen sowie mit dem Land Sachsen-Anhalt.
Auf dem Weg Am Hundewasser betrat dann die Exkursionsgruppe die Burgaue. Der AHA bekräftigte noch einmal das absolute Erfordernis, generell Auenwälder als eine der arten- und strukturreichsten Biotope in den gemäßigten Zonen zu erhalten, zu sichern und zu schützen. In dem Zusammenhang betonte der AHA, dass er es für dringend geboten hält, dass bereits jetzt naturschutzrechtlich gesehen Auenwälder einen besonderen Schutz genießen müssen. In der Burgaue kommt noch hinzu, dass dort ca. 270 ha als Naturschutzgebiet und Teil des europäischen Schutzgebietes Natura 2000 nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen sind und daher hier besonders auf naturnahere bzw. naturnahe Entwicklungen zu orientieren sind. Ferner gilt es derartige Auenwälder als bedeutsame Lebens- und Rückzugsräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, als potenziellen Hochwasserraum sowie als Ort der sanften Naherholung für die Menschen der Region zu betrachten. In dem Sinne ist eine rein forstwirtschaftliche Nutzung zu kommerziellen Zwecken nicht zu akzeptieren.
Die Exkursionsteilnehmer konnten sich ein Bild von Auenwaldbereichen verschaffen, wo noch keine massiven forstwirtschaftlichen Eingriffe stattgefunden hatten und die Struktur des Auenwaldes stimmte. Man nahm die vielfältige Artenvielfalt an Gehölzen jedes Alters –Stieleiche, Gemeine Esche, Hainbuche, Feldulme, Feldahorn, Spitzahorn, Bergahorn u.a.- wahr.
Am Bauerngraben diskutiert die Gruppe über Möglichkeiten der Entwicklung des Fließgewässers. Dabei bekräftigen alle TeilnehmerInnen, dass begradigte Fließgewässer die Möglichkeit und den Raum zur Mäandrierung erhalten sollten. Schließlich gelangte die Gruppe an die Kreuzung zum Reitweg, wo eine nunmehr abgestorbener Rest, einer einst abgeholzten Stieleiche wie ein Mahnmal steht und paar Meter westwärts ein Naturschutzgebiet verdeutlicht, was eigentlich ein großer Teil der Burgaue darstellt.
Der AHA verdeutlichte in dem Zusammenhang des weiteren Verlaufs der Exkursion noch einmal, dass der ehrenamtliche und gemeinnützige Umwelt- und Naturschutzverein es zum Beispiel für zukunftsbedeutsamer hält, die Eintiefung der Neuen Luppe und der Nahle zu stoppen und Renaturierungen des Gewässerlaufes zu prüfen, weiterhin Möglichkeiten der länderübergreifenden Reaktivierung der abgeschnittenen Altarme der Weißen Elster und der Luppe ökologisch, hydrologisch und ökonomisch zu untersuchen sowie eine Ausweitung der Retentionsflächen anzugehen. Somit wäre beispielsweise bessere Einbeziehung der Auenwälder in das Überflutungsregime von Weißer Elster und Luppe möglich. Zudem könnte neben der Wirkung eines nachhaltigen Umgangs mit Hochwasser ein zurückdrängen weniger wassertoleranter Gehölzarten wie Spitzahorn einhergehen. Daher favorisiert der AHA statt des Neubaus des Nahleauslassbauwerks sowie der mehr als umstrittenen, im Jahre 1998 festgelegten Mittelwaldwirtschaft, umfassende Deichrückverlegungen zu untersuchen und letztendlich umzusetzen. Ferner hält es der AHA nicht für angebracht eine Wiederbelebung von Gewässeraltarme nach wasserbaulichen Gesichtspunkten vorzunehmen, was zum Verlust naturnaherer Entwicklungsmöglichkeiten und –strukturen führen kann und diese Altgewässer eine Degradierung zu reinen Abflussrinnen in bzw. an Polderflächen oder gar wassertouristischen Motorbootstrecken erfahren könnten. Zusammengefasst bedeutet dies, dass eine Wiederbelebung von Altarmen kurz-, mittel- und langfristig nur über eine Beachtung bisheriger Entwicklungen von Fauna, Flora und Struktur, der Stabilisierung der Grund- und Schichtwasserhöhen, dem Rückbau der Deichanlagen außerhalb von berechtigten Siedlungsanlagen sowie letztendlich über die Aufhebung und Beseitigung der ab 1934 endgültig geschaffenen naturfernen Fließgewässerstrukturen möglich und sinnvoll erscheint.
Im Bereich der Frischwiese zwischen Reitweg, Der Polenz und Am Hundewasser besprachen die Exkursionsteilnehmerinnen und Exkursionsteilnehmern die Überlegungen des AHA eine Entwicklung hin zu einer partiell zu mähenden Wiese, wo die räumlich parzellierte Landschaft zu unterschiedlichen Zeitpunkten wechselvolle Mahden erfährt. Somit verspricht sich der AHA die Erhöhung der Chancen zur Mehrung der Arten- und Strukturvielfalt, da auch nicht so robust und schnell wachsende Pflanzen die Möglichkeit der Blüte und des Aussamens bekommen. Der AHA schlug in dem Zusammenhang die Vorbereitungen, Umsetzung, Überwachung und die Kartierungen gemeinsam mit der Bevölkerung und da insbesondere mit Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden anzugehen und zu realisieren.
Der AHA legte mit Datum vom 11.01.2016 „Konzeptionelle Vorschläge zur Entwicklung einer Frischwiese im Norden des Naturschutzgebietes Burgaue, Stadt Leipzig“ vor, welche sie der unteren Naturschutzbehörde der Stadt Leipzig zuleitete. Jedenfalls waren sich alle Exkursionsteilnehmer einig, dass im Interesse einer höheren Arten- und Strukturvielfalt eine Umsetzung der konzeptionellen Vorschläge dringend geboten ist.
Nach einer ausgedehnten Wanderung auf dem Reitweg deutliche Spuren der weiter fortgesetzten Massenabholzungen erkennen. Ältere Abholzungsflächen lassen einen deutlich verstärkten Aufwuchs des Spitzahorns als Stockausschlag und Sämlingen erkennen. Die einstige Ausgangsfläche dieses skandalösen Vorhabens ist komplett z.B. von Spitzahorn, Bergahorn, Gemeiner Hasel und Winterlinde überwuchert. Die gepflanzten Stieleichen sind entweder komplett verschwunden oder arbeiten sich mühsam durch den ebengenannten Gehölzaufwuchs durch. Einige Meter sind deutlich verdichtete Fahrrinnen in den Rückegassen zu erkennen, welche nun Wanderer und Radfahrer als Trampelpfad dienen und zum Betreten des eigentlich zu schützenden Auenwaldes einladen. Ferner stellten die Exkursionsteilnehmerinnen und Exkursionsteilnehmern mit Entsetzen fest, dass die Fällungen im Waldgebiet Am Wahrener Weg ihre massive Fortsetzung findet. Dabei sind bereits zahlreiche Gehölze –darunter mit Höhlen und Totholz- der Säge zum Opfer gefallen sind. Ferner sind in dem Waldgebiet und im Waldgebiet Am Hundewasser neue tiefe Fahrspuren von schwerer Technik erkennbar. Das hat massive Bodenverdichtungen und Zerstörungen der Bodenflora zur Folge.
Die Exkursionsteilnehmer waren sich daher schnell einig, dass die sogenannte Mittelwaldwirtschaft flächendeckend in den Auenwäldern der Städte Leipzig und Schkeuditz unverzüglich einzustellen und der naturnahen Entwicklung der Vorrang einzuräumen ist. Die Schutzgebietsverordnungen sind dem entsprechend anzupassen und z.B. bei der Burgaue zudem noch FFH-RL-konform auszugestalten. Zusammen mit den unbedingt vorzunehmenden Deichrückverlegungen, entspricht das einem nachhaltigen Schutz und Erhalt der Auenlandschaften an Weißer Elster, Luppe und Nahle sowie ihrer Nebengewässer und eines darauf abgestimmten Umganges mit Hochwasser. Die grundlose, skandalöse Fällung einer gesunden, ca. 100jährigen Stieleiche im Bereich des gegenwärtigen Nahleauslassbauwerkes verdeutlicht, dass ein massives Umdenken in Sachen Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes sowie Umgang mit Hochwasser dringend geboten ist.
In dem Blickfeld betrachtet, begrüßen die Exkursionsteilnehmer und auch der AHA zu sehr großen Teilen den gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU und SPD im Stadtrat von Leipzig vom 13.11.2013 und der damit verbundenen Begründung. Nach Auffassung der Exkursionsteilnehmer und des AHA eröffnen sich mit der Ausrichtung und Durchführung von Auenwaldsymposien und der damit verbundenen Untersuchungen von Möglichkeiten der Deichrückverlegungen, die Möglichkeit Fragen zum Schutz, Erhalt und Entwicklung der Auenlandschaften im Stadtgebiet von Leipzig und des damit verbundenen Umgangs mit Hochwasser und Retentionsflächen auf den Prüfstand zu stellen. Die Exkursionsteilnehmer waren sich in dem Zusammenhang, dass eine Erarbeitung von Konzeptionen zum Schutz, Erhalt und Entwicklung der Auenlandschaften und eines eng damit verbundenen Umgangs mit Hochwasser nur länderübergreifend, nach Flusssystemen orientiert erfolgen kann. Damit verbunden sehen sie die dringende Notwendigkeit der Schaffung von länderübergreifenden Fachbehörden, welche entsprechend der Flusssysteme ihre Aufgabenfelder entfalten müssen.
Der AHA ist jedenfalls bereit im Rahmen seiner ehrenamtlichen Möglichkeiten an der Prüfung und Erarbeitung einer aktuellen und nachhaltigen Auenschutz-, Hoch- und Grundwasserkonzeption mitzuwirken. Darüber hinaus ruft der AHA zur aktiven Mitwirkung interessierter Bürgerinnen und Bürger in den Städten Leipzig, Markkleeberg und Schkeuditz auf, sich mit einzubringen. Interessenten können folgendermaßen zum AHA Kontakt aufnehmen:
Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – (AHA)
Regionalgruppe Leipzig und Umland
Otto-Adam-Straße 14
04157 Leipzig
E-Mail: aha_halle@yahoo.de
Internet: http://www.aha-halle.de
Fotos Andreas Liste
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