I. Grundsätzliches

Der ca. 2,8 ha große Graebsee (Bruchsee) in Halle-Neustadt stellt einen ökologisch bedeutsamen Bereich im nördlichen Teil Halle-Neustadts dar. Ferner ist der Standort ein Spiegelbild geologischer, bergbaulicher und geschichtlicher Entwicklungen im Stadtgebiet von Halle (Saale). Das drückt sich u.a. darin aus, dass ein 1,3 ha großes Gebiet am 12.09.1979 durch den damaligen Rat der Stadt Halle-Neustadt zum flächenhaften Naturdenkmal erklärt wurde. Neben zahlreichen Pflanzengesellschaften nutzen das auch touristisch interessante Gebiet mit seinen markanten Muschelkalkhängen zahlreiche Tiere als Rückzugs- und Lebensraum. Zudem stellt der Graebsee einen wichtigen Bestandteil im Biotop- und Grünverbund zum Gebiet des Saugrabens, zur Dölauer Heide und zur Saaleaue dar.

II. Zu den Beschlussunterlagen

Der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) teilt die Auffassung, dass es noch mehr Kinderspielplätze geben muss. Am besten auch Kinderspielplätze, welche eine Themenbezogenheit aufweist. Dazu ist es aber nach Auffassung des AHA wichtig und notwendig, eine wissenschaftlich fundierte Spielplatzkonzeption zu erstellen, welche sich u.a. mit der Anzahl, mit Standorten, Vor- und Nachteilen, möglichen Konflikten sowie mit der Ausstattung, Betreuung und Instandhaltung befasst. Bereits in der Entwurfphase gilt es die Bevölkerung sowie ihre Vereine und Initiativen mit einzubeziehen, um so eine fachlich basierte, breite und demokratische Legitimation herstellen zu können.
Im konkreten Fall betrachtet der AHA den Standort des Vorhabens für ungeeignet.

Begründung:

Das Graebseegebiet ist umfassend von Muschelkalk und in Folge seines Abbaus von entsprechenden Hängen und einem daraus entstandenen See geprägt. Der See erfährt seine Speisung aus den Grundwasserschichten. Ein Überlauf führt das überschüssige Wasser zum Nördlichen Kolonistengraben (Saugraben) ab. Der AHA hatte hierzu am 12.06.2006 „Konzeptionelle Vorschläge zur Entwicklung eines Feuchtgebietes nördlich des Graebsees“ vorgelegt, um das Wasser mehr im Gebiet zu halten und den nördlichen Teil des Graebseegebietes ökologisch und hydrologisch aufzuwerten.
Ansonsten ist das Gesamtgebiet von vielfältigen Gehölzflächen, Rasenbereichen und Wegen sowie am Gewässerrand von einzelnen Schilfgebieten geprägt.
Der AHA stellt eine gewisse sukzessive Entwicklung der Gehölzflächen fest, welche es auf Grund der Standortgerechtigkeit sowie der Chance Gehölze vor Ort zu haben, welche besser Sommerhitze und Niederschlagsarmut trotzen können.
Zudem dienen sie als sehr wichtiger Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Das Graebseegebiet hat außerdem eine sehr wichtige Funktion als Biotop- und Grünverbundraum zur Dölauer Heide sowie zur Aue von Saugraben und Saale. Als Frischluftentstehungsgebiet dient das Gebiet der Klimaverbesserung in Natur und Landschaft sowie für die angrenzenden Wohngebiete und Sportstätten. Die Natur und die Landschaft werten zudem das Stadt- und Landschaftsbild auf.
Die Rasenflächen lassen sich mühelos in arten- und strukturreiche Wiesen entwickeln, indem unregelmäßige und partielle Mahden stattfinden. Somit besteht die Möglichkeit der Gewährleistung langer und umfassender Blühphasen sowie der Vermehrung und naturnaheren Entwicklung der Aussamung. Bekanntlich sind u.a. Blütenpflanzen sowie Saatgut wichtig insbesondere für den Bestand an Entomo- und Avifauna.
Im Südbereich in unmittelbarer Angrenzung an den Muschelkalkhang hatte der AHA bereits im Jahr 2005 vorgeschlagen den Boden abzutragen, um so die Entwicklung einer kalkliebenden Halbtrocken- und Trockenrasengesellschaft zu ermöglichen. Die bestehenden Gehölzbestände gilt es jedoch zu schützen und zu erhalten. Damit besteht die Möglichkeit die Arten- und Strukturvielfalt zu erhöhen.
Der angedachte Standort des Kinderspielplatzes mit einer angegebenen zusätzlichen Versiegelung im Umfang von 485,00 m² führt zur Zerstörung einer Mischlandschaft von Gehölzen und entwicklungsfähigen Wiesen. Damit eng verbunden droht eine Einschränkung entsprechender Lebens- und Rückzugsräume von zahlreichen Tieren und Pflanzen. Bei der Planung des Vorhabens hat man keine ordnungsgemäße Betrachtung dieser Tatsachen vorgenommen.
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)gibt zur aktuellen täglichen Neuausweisung von Siedlungs- und Verkehrsflächen in der Bundesrepublik Deutschland folgendes an, Zitat: „Täglich werden in Deutschland rund 54 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Dies entspricht einer Flächenneuinanspruchnahme – kurz Flächenverbrauch – von circa 76 Fußballfeldern.“, Zitat Ende
Ferner ist folgendes ausgeführt, Zitat:
Bis zum Jahr 2030 will die Bundesregierung den Flächenverbrauch auf unter 30 Hektar pro Tag verringern. Diese gegenüber der Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 verschärfte Festlegung wurde vom Bundeskabinett bereits im Januar 2017 in der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – Neuauflage 2016“ festgelegt. Seit dem Klimaschutzplan vom November 2016, der die Leitplanken für ein grundsätzliches Umsteuern in Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Weg zu einem treibhausgasneutralen Deutschland beschreibt, strebt die Bundesregierung bis 2050 sogar das Flächenverbrauchsziel Netto-Null (Flächenkreislaufwirtschaft) an, womit sie eine Zielsetzung der Europäischen Kommission aufgegriffen hatte. Diese Zielsetzung hat während der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 Eingang in die Erwägungen für eine EU-Biodiversitätsstrategie gefunden und wurde im März 2021 nun auch in die weiterentwickelte Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen.“, Zitat Ende

https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/nachhaltigkeit/strategie-und-umsetzung/flaechenverbrauch-worum-geht-es

Das ergibt im Jahr einen Flächenverbrauch im Umfang von 19.224 ha. Im Vergleich dazu hat die niedersächsische Großstadt Braunschweig eine Fläche von 19.200,00 ha = 192,00 km².

https://www.braunschweig.de/politik_verwaltung/statistik/statistische_angaben.php

Die Feststellung in der Beschlussvorlage , Zitat: „Diese Versiegelung wird durch zusätzliche Strauchbepflanzung in den Randbereichen der bestehenden Gehölze vollständig ausgeglichen. Daher hat das Vorhaben keine relevanten Auswirkungen auf das Klima.“, Zitat Ende, ist unlogisch und somit nicht zielführend.

Es ist bereits in der Bauphase mit umfassenden Zerstörungen und Störungen zu rechnen. Ein Eingriff, welcher vollkommen inakzeptabel ist, da im Falle der Umsetzung eine weitere Einschränkung von Lebens- und Rückzugsraum von Tier- und Pflanzenarten erfolgt. Diese Betrachtung ist in der Beschlussvorlage nicht zu erkennen.

Zudem ist nicht zu erkennen, dass die Verantwortlichen in der Verwaltung der Stadt Halle (Saale) endlich eine Gesamtbetrachtung der Schutzwürdigkeit und Entwicklung des Graebseegebietes vorgenommen haben. Hierzu gehören insbesondere die Aspekte des Schutzes, des Erhaltes und der Entwicklung von Umwelt, Natur und Landschaft sowie einer darauf abgestimmten Nutzung für die Naherholung.

Immer wieder planen die Verantwortlichen in der Verwaltung der Stadt Halle (Saale) neue Spielplätze in Grüngebiete. So u.a. bereits am Riveufer geschehen. Alternative Standorte wie gegenwärtig versiegelte Flächen wie Park- und Abstellplätze scheinen nicht in die Standortüberlegungen einzufließen. Nach Auffassung des AHA ist das jedoch dringend erforderlich, um obengenannte Konflikte ausschließen zu können. Dazu kann bereits genannte Spielplatzkonzeption behilflich sein.

Der Standort ist zudem für einen ausgeprägten Vandalismus bekannt. Das Schicksal des hölzernen Aussichtspunktes am Graebsee ist dafür ein anschauliches Beispiel.
Zudem sieht der AHA in der Nähe zu den Muschelkalkhängen eine Gefahr für Leib und Leben für spielende Kinder. Eine öffentliche Fürsorgepflicht muss solche Gefahren ausschließen.

Auf Grund der obengenannten Tatsachen, hält der AHA die Errichtung eines Kinderspielplatzes im Gesamtgebiet des Graebseegebietes für ablehnenswert.

Daher ist ein ökologisch verträglicher und nicht derartig gefährdeter und gefährlicher Standort in Halle-Neustadt zu suchen und zu finden.

III. Zusammenfassung

Das Planungsgebiet stellt sich als sehr vielfältigen, arten- und strukturreichen, aber auch sehr störungsanfälligen Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, Biotop- und Grünverbundraum, Frischluftentstehungsgebiet und -korridor dar, welches ein sehr hohes Maß an Schutzbedürftigkeit aufzeigt.
Daher sind alle geplanten Eingriffe – wozu ein Neubau eines Spielplatzes gehört – auszuschließen.
Der AHA bietet im Interesse des Schutzes, des Erhaltes und der Entwicklung des Gebietes und angrenzender Natur- und Landschaftsräume sowie im Rahmen seiner ehrenamtlichen und gemeinnützigen Möglichkeiten eine Mitarbeit an. Dazu dient seine langjährig im Aufbau begriffene Arbeitsgruppe Graebsee.
In dem Zusammenhang erfolgt in der Anlage die erneute Bereitstellung folgender AHA-Konzeptionen:

  • Konzeption zur Errichtung eines geologisch-bergbaulichen-ökologischen historischen Erkenntnis -und Lehrpfad am Flächennaturdenkmal Graebsee (Bruchsee) vom 06.09.2004
  • Konzeptionelle Vorschläge zur Entwicklung eines Feuchtgebietes nördlich des Graebsees vom 12.06.2006

Andreas Liste
Vorsitzender

Halle (Saale), den 10.02.2023