Der gemeinnützige und ehrenamtliche Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) setzt sich bekanntlich sehr intensiv für den Schutz, Erhalt und naturnahe Entwicklung der Weißen Elster, ihrer Fluss- und Auenlandschaften, ihrer Nebengewässer sowie angrenzender Natur- und Kulturlandschaften ein. Dies geschieht in Form von Stellungnahmen, Vorschlägen, Exkursionen sowie Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit.
Im Rahmen dieser räumlich, fachlich-inhaltlich und organisatorisch umfassenden ehrenamtlichen Tätigkeit beabsichtigt der AHA nunmehr auch seine Aktivitäten auf die ca. 30 km lange Weiße Elster zwischen den Städten Gera und Zeitz zu intensivieren.
Dabei bilden der Erhalt, der Schutz und die Entwicklung weiterer Abschnitte zu naturnahen Natur- und Landschaftsräumen, die Erweiterung von Hochwasserräumen, die mögliche Wiederanbindung von Altarmen und eines umwelt- und naturverträglichen Tourismuskonzeptes, die Entwicklung eines breitgefächerten Umweltbildungskonzeptes sowie die Unterstützung des Vorhabens der Ausweisung großer Teile des Gebietes der Weißen Elster ab Gera, über Markkleeberg, Leipzig, den angrenzenden Landkreisen bis nach Halle (Saale) zur Ausweisung zum UNESCO-Weltkulturerbe, die ersten Arbeitshauptschwerpunkte. So lassen sich ökologische, geologische, archäologische, historische, kulturelle, wissenschaftliche, ökonomische, soziale und kulturelle Aspekte umfassender und günstiger ins Verhältnis bringen, um so angemessen zukunftsfähig länderübergreifend eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Perspektivisch erscheint es in dem Zusammenhang sinnvoll zu sein, die Gebiete über Gera, Greiz und Plauen bis ins Erzgebirge nach Tschechien ins Quellgebiet auszuweiten.
In Anknüpfung an die Fahrradexkursion des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) am 26.09.2020 entlang der Weißen Elster und in ihrer Aue zwischen den Städten Gera und Zeitz, fand nunmehr am Samstag, den 12.12.2020 eine Exkursion in der Stadt Gera statt. Dabei nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion das Gebiet der Weißen Elster und des Mühlgrabens zwischen Untermhäuser Brücke und Stadtbahnbrücke in Augenschein.
Vor dem offiziellen Start der Exkursion betrachteten Mitglieder des AHA in Höhe Untermhäuserbrücke die massiven Bauarbeiten entlang der Weißen Elster, welche im Rahmen der „Aktion Fluss Thüringer Gewässer gemeinsam entwickeln, Bauabschnitt: Untermhäuserbrücke bis Cubabrücke (BR 5)-linke Gewässerseite„ stattfinden. Insbesondere die massive Flächenversiegelung am Westufer der Weißen Elster im Bereich Gries rief sehr große Besorgnis hervor. Dazu zählen Zerstörung der Vegetation und eine gewisse Einschränkung des Abflussraumes des ohnehin mit Begradigung belasteten Flusses im Rahmen der Flächenversiegelung im Bereich Gries. Hier sind unverzügliche Beseitigungen der Flächenversiegelungen dringend geboten. Ebenfalls ist nicht erkennbar, wie diese massiven für den Zeitraum vom März 2019 bis April 2021 bereits umgesetzten bzw. geplanten Baumaßnahmen in das von der Thüringer Landgesellschaft mbH geführten Planungen zum Projekt: „Gewässer brauchen mehr Raum: Verbesserung des Hochwasserschutzes und der Gewässerstruktur an der Weißen Elster von Gera-Milbitz bis zur Landesgrenze Thüringen/Sachsen-Anhalt“ hineinpassen. Der AHA sieht hier die dringende Gefahr, dass die ebengenannten Baumaßnahmen bereits vollendete Tatsachen schaffen.
Im Bereich der Parkanlage am Biermannplatz regt der AHA an, von der flächendeckenden und offensichtlich regelmäßigen Mahd in unregelmäßige, partielle Mahdarbeiten überzugehen, um die Schaffung einer arten- und strukturreichen Wiese zu ermöglichen. Ferner gilt es zu überlegen, inwieweit der Park als Teil der Altaue der Weißen Elster wieder als Retentionsfläche dienen kann ohne das Wohnraum Schaden nehmen kann. Ggf. könnten dazu u.a. leichte Verwallungen am Rand des Parkes dazu beitragen.
Nach dem offiziellen Beginn der Exkursion rückte auch der Mühlgraben als Teil der Aue der Weißen Elster immer wieder im Blickpunkt der Exkursionsgruppe. Die Begradigungsmaßnahmen der Weißen Elster und die damit einhergehende Eintiefung des Flusses sowie der Klimawandel haben offensichtlich zur Austrocknung des Gewässers beigetragen. Dabei spielt der Mühlgraben eine sehr wichtige hydrologische, ökologische und stadtgestalterische Rolle. Beispielsweise im Kreuzungsbereich Kantstraße und Schellingstraße durchgeführte Versiegelungen der Ufer und der Sohle verschärfen das Problem. Im Bereich der Altparkanlage der früheren Biermannvilla im Bereich Kantstraße, Tobias-Hoppe-Straße und Leibnitzstraße gilt es unbedingt die sukzessive Gehölzentwicklung zu schützen. Dieser Bereich dient nicht nur als Lebens- und Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen, sondern verbessert durch Eintrag von Sauerstoff, Luftfeuchtigkeit sowie Kalt- und Frischluft das Stadtklima und die Lebens- und Wohnqualität der Menschen. Darüber hinaus tragen derartige Grünbereiche zur Auflockerung und Verbesserung des zumeist stark versiegelten Stadtbildes und zum Erhalt und zur Entwicklung dringend notwendiger Grün- und Biotopverbünde bei.
Hinsichtlich der Kleingartenanlagen zwischen Tobias-Hoppe-Straße und Stadtbahnbrücke bemängelt der AHA die offensichtlich mangelhafte bis ausgebliebene Beteiligung und Einbeziehung der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner in die Planungen des grundsätzlich notwendigen Projektes: „Gewässer brauchen mehr Raum: Verbesserung des Hochwasserschutzes und der Gewässerstruktur an der Weißen Elster von Gera-Milbitz bis zur Landesgrenze Thüringen/Sachsen-Anhalt“. In dem Zusammenhang bekräftigt der AHA seine immer wieder vertretene Auffassung Kleingärten in Hochwassereinzugsgebieten schrittweise zu beräumen, indem man verlassene Gartenparzellen nicht erneut verpachtet. Die dabei zu erwartenden möglichen Fristen von bis zu 25 bis 30 Jahren gilt es in Kauf zu nehmen, um soziale Härten zu vermeiden und zudem generell die gesellschaftliche Akzeptanz für die Wiederausweitung von Retentionsflächen zu erhöhen. Ferner hält es der AHA für dringend geboten eine wissenschaftliche Konzeption zu entwickeln, welche den Umgang und Zukunft des Pflanzenbestandes von verlassenen und baulich beräumten Kleingärten beinhaltet und den Erhalt und die Weiterentwicklung dieser Grünbereiche als Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sichert sowie der Verbesserung des Stadtklimas dient. Derartige Grundlagen sind für eine öffentliche Diskussion und demokratische Teilhabe der Bevölkerung und ihrer Vereine und Initiative dringend geboten. Der AHA kann sich beispielsweise vorstellen bestehende Obstgehölzbestände zu Streuobstwiesen durch Erweiterungspflanzungen zu entwickeln, welche eine Betreuung durch die Bevölkerung erfahren.
Im Bereich der früheren Industriebrache zwischen Mühlgraben, Stadtbahnbrücke und Leibnitzstraße drückten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion ihr sehr großes Unverständnis zum Vorhaben der Schuster Haus GmbH aus, auf dem Gelände Einfamilienhäuser zu errichten. Noch dazu offensichtlich größere Bäume der Säge zum Opfer fielen.
Laut Stadtverwaltung Gera hatte die Stadt mit Stand vom 30.09.2020 eine Einwohnerzahl von 93 833 Personen. Mit Stand vom 31.12.2018 waren es noch 95.474 Einwohnerinnen und Einwohner. Das bedeutet für diesen Zeitraum einen Rückgang von 1.641 Einwohnerinnen und Einwohnern. Zudem weist die „Sozialstatistik Leben in der Stadt Gera in Zahlen, Stand: 10. Februar 2017“ unter den Punkten 3.1/3.1.1. für das Jahr 2015 einen Wohnungsleerstand von 8.480 in Gebäuden mit Wohnungen aus. Wenn man den Bestand von 60.862 Wohnungen für Wohnzwecke zu Grunde legt, besteht somit ein Leerstand von 13,9%. Neben der Tatsache, dass u.a. soziale Verbesserungen dringend geboten sind, um die Abwanderungen zu mindestens zu stoppen, gilt es zuerst den hohen Wohnungsleerstand zu beseitigen, ehe man erneut Flächenverbrauch für neue Einfamilienhäuser zulässt. Das verlangen ökologische, klimatische und hydrologische Erkenntnisse, Vernunft und Erfordernisse.
Der AHA regt daher an, die ca. 9 ha große Fläche massiv zu entsiegeln, bis zum naturgewachsenen Boden zu beräumen und eine Sukzession zu ermöglichen. Darüber hinaus gilt es die Fläche der Weißen Elster als Retentionsraum zurückzugeben. Dieser Bereich kann sich so nicht nur als Lebens- und Rückzugsraum von Tieren und Pflanzen und Teil eines größeren Grün- und Biotopverbundes entwickeln, sondern zum verbesserten Eintrag von Sauerstoff, Luftfeuchtigkeit sowie Kalt- und Frischluft und somit zur Verbesserung des Stadtklimas und der Lebens- und Wohnqualität der Menschen beitragen. Ferner führen derartige Grünbereiche zur Auflockerung und Verbesserung des zumeist stark versiegelten Stadtbildes.
Nach Ansicht des AHA scheint es ratsam zu sein, im Rahmen einer Gesamtentwicklung der Weißen Elster und ihrer Aue ebenfalls für den Mühlgraben ein wissenschaftlich fundierte Schutz- und Entwicklungskonzeption zu entwickeln, welche dem Schutz und der Entwicklung von Natur, Landschaft und Umwelt, der Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität, von Stadtbild und -klima sowie der Entwicklung von bestehenden bzw. weiterer Biotop- und Grünverbundachsen und -räumen dienen.
Dabei spannt sich der Bogen von der dringenden Notwendigkeit der Weißen Elster und ihrer Nebengewässer notwendigen Überflutungsraum zurückzugeben, dies mit Gesichtspunkten des Landschafts- und Naturschutzes zu koppeln, über bauliche Realitäten -insbesondere in der Stadt Gera-, Berücksichtigung von Befindlichkeiten u.a. von Anwohnern, Eigentümern, Pächtern, Land- und Forstwirten bis hin zur dringenden Notwendigkeit eines koordinierten Handelns mit Tschechien sowie den drei betroffenen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland. Innerhalb der Stadt Gera gibt es u.a. im Einmündungsbereich des Mühlgrabens durchaus recht interessante Gedanken in Richtung Rückgabe von Aue an die Weiße Elster, was unweigerlich mit der Erweiterung von Überflutungsraum einhergeht. Der AHA wiederholte seinen Vorschlag unbedingt weitere Überlegungen zu starten, um im Stadtgebiet von Gera weitere Altauen der Weißen Elster zurückzugeben.
Dazu gehören nach Ansicht des AHA zu prüfen, inwieweit eine Rückgabe bzw. Wiederanbindung der Altaue im Bereich der Fasaneninsel an die aktive Aue der Weißen Elster möglich ist. Das erfordert u.a. Rückbau von Bauresten, Versiegelungen und bestehenden standortfremden Bodenaufschüttungen. Bereits der Satzungsbeschluss vom 07.11.2008 zum Vorhabenbezogenen Bebauungsplan VB/01 „SB Möbel-Boss“ geschah mit der Kenntnis, dass das ca. 12.000 m² = 12 ha große Plangebiet sich im Überflutungsgebiet befindet. Ähnlich ist es garantiert mit anderen Bebauungen in dem Gebiet zu sehen, welche nach wie vor einer kritischen Betrachtung bedürfen.
Ein ganz besonderen Augenmerk in der Stadt Gera sind dabei ebenfalls auf die Mündungsgebiete von Brahme und Erlbach zu lenken. Bei der Brahme gilt es unbedingt anzumerken, dass das Fließgewässer und seine Aue zum 102 ha großen Schutzgebiet 177/5038-303 nach der europäischen Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie Brahmeaue gehören. Dementsprechend gilt es die Schutzwürdigkeit, die Entwicklung hin zu naturnaheren Strukturen sowie ihre Bedeutung als Lebens- und Rückzugsraum für Tier- und Pflanzenarten und den Biotop- und Grünverbund zu prüfen und zu beachten. Daher ist es für den AHA unverständlich, warum man im Mündungsbereich der Brahme in die Weiße Elster im Abschnitt Paul-Vopel-Weg und gewässeraufwärts massive Ausholzungen vorgenommen hatte. Dabei muss auch Unterhaltungsverbänden bekannt sein, dass Gehölze als Sauerstoff-, Frischluft und Feuchtigkeitsspender, Kohlendioxidspeicher sowie als Lebens-, Nahrungs- und Rückzugsraum für zahlreiche Tierarten fungiert. Darüber hinaus vermindert die Beschattung die Erwärmung des Gewässers und die damit beschleunigte Verdunstung. In Zeiten des Klimawandels und des zu Recht angeprangerte Artensterben kann man entsprechendes verantwortungsvolles Verhalten erwarten. Gleiches gilt für Pläne in dem Raum einen Campingplatz und einen aufgeständerten Sanitärtrakt zu errichten. Der AHA bekräftig, dass wir nicht ein Mehr, sondern ein Weniger an Verbauung benötigen und zudem sich der Tourismus den Erfordernissen des Schutzes, der Entwicklung und des Erhaltes von Umwelt, Natur und Landschaft sowie des Klimawandels ein- und unterordnen zu hat. Stattdessen hält es der AHA für wesentlich bedeutsamer intensiver für bestehende Gastronomieeinrichtungen und Campingplätze zu werben.
Der AHA bekräftigte seinen Wunsch sich verstärkt für den Schutz, Erhalt und Entwicklung des gesamten Flussgebietes der Weißen Elster von Quelle bis zur Mündung einzusetzen. Dazu zählen selbstverständlich auch das Stadtgebiet Gera sowie der Abschnitt zwischen den Städten Gera und Zeitz. Daher hat die Mitgliederversammlung des AHA vom 07.12.2020 beschlossen eine länderübergreifende Regionalgruppe Gera-Zeitz zu bilden. In dieser AHA-Gruppe können sich ehrenamtliche Interessenten unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung und Beruf einbringen. Wer Interesse hat, wende sich bitte an folgende Kontaktmöglichkeit:

Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – (AHA)
Regionalgruppe Leipzig und Umland
Otto-Adam-Straße 14

04157 Leipzig

E-Mail: aha_halle@yahoo.de

Andreas Liste
Vorsitzender

Halle (Saale), den 13.12.2020

Fotos: Andreas Liste